Der Kampf für die Freiheit - Die Verhinderung der Zwangsvereinigung in Berlin und die Folgen

Veröffentlicht am 27.03.2023 in Geschichte

Erinnerungstafel Zinnowwaldschule

Vortrag von Christoph Ehmann zur Feierstunde „70 Jahre Wiedergründung der Berliner SPD“ am 7. April 2016 in der Aula der Zinnowwaldschule Berlin-Zehlendorf (gekürzte Fassung)

Willy Brandt: „Ihr tut gut daran, Lehren aus der Vergangenheit ernsthaft zu bedenken, jedenfalls zu prüfen, wo es sich um Lehren handelt - und wo um leeres Zeug. Zu dem, woran man in der Rückschau nicht vorbeikommt, gehört die Zwangsvereinigung vom Frühjahr 1946, gehört die Berliner Urabstimmung Ende März jenen Jahres.“

1. Kapitel: Bis zur Urabstimmung

Für die Mehrzahl derjenigen Mitglieder der KPD und der SPD, die die Nazizeit überlebt hatten, war die lang ersehnte Befreiung vom Faschismus die große Chance zum Neubeginn, zu einem Neubeginn unter Vermeidung der Fehler und Feindschaften der Weimarer Republik.

Die Prager Erklärung des SPD-Vorstands 1934 hatte ebenso wie der Beschluss des Exekutivkomitees der KPD, 1935 im Exil in Moskau gefasst, in der Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung seit 1917 die eigentliche Ursache für den Sieg des Faschismus gesehen. Nach 1945 sollte es nur noch eine gemeinsame sozialistische Partei in Deutschland geben.

Für deren (Wieder-)Gründung waren durch die sowjetische Führung Genossen um Walter Ulbricht im Moskauer Exil gezielt vorbereitet worden. Sie hatten die stalinistischen Säuberungen auf welche Weise auch immer lebend überstanden. Schon drei Tage vor der Eroberung am 2. Mai 1945 war die Gruppe Ulbricht am 30. April mit zehn Mitgliedern in Bruchmühlen bei Berlin eingetroffen, wo der politische Stab der Armee unter dem Oberkommando von Marschall Schukow sein Quartier hatte.

Die Gruppe Ulbricht bereitete den Aufbau der Verwaltung vor, an deren Spitze möglichst Vertreter des Bürgertums stehen sollten. Ulbricht nahm denn auch sofort Kontakt zu den Kirchen und zu bürgerlichen Vertretern wie dem früheren Deutschnationalen Ferdinand Sauerbruch auf. Es galt, Offenheit und Kooperationsbereitschaft zu zeigen.

Die bereits existierenden Gruppen der Sozialdemokraten, die sich in Berlin wieder zusammengefunden hatten und den Wunsch nach der einen sozialistischen Partei zum Ausdruck bringen wollten, wurden hingegen im Monat Mai von ihm weder aufgesucht noch empfangen.

Doch in Moskau dachte man anders: Am 4./5. Juni wurden Mitglieder der Gruppe Ulbricht nach Moskau bestellt und mit zwei Aufträgen konfrontiert: Zum einen sollte sofort die Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands erfolgen. Zum zweiten sollten drei weitere Parteien zugelassen werden: Zwei bürgerliche Parteien, eine christliche, nach dem Muster des katholischen Zentrums, möglicherweise aber auch überkonfessionell, und eine liberale sowie als dritte die SPD. Die Bildung einer Partei der Arbeiterbewegung, gemeinsam mit den Sozialdemokraten, wurde ausdrücklich verboten. Stattdessen sollten die vier Parteien eine „Antifaschistische-demokratische Einheitsfront“ bilden und die sowjetische Besatzungszone und die Stadt einvernehmlich regieren. Selbstverständlich nach den Vorgaben der Sowjetischen Militär-Administration - SMAD.

Als am 10. Juni 1945 die SMAD mitteilte, dass politische Parteien gegründet werden könnten, war die KPD bereits am nächsten Tag, dem 11. Juni zur Stelle. Die SPD, für die sich ein Zentralausschuss aus überlebenden Genossen unter Führung von Otto Grotewohl mit einem Zentrum in Schöneberg und Steglitz gebildet hatte, beantragte und erhielt die Zulassung für die gesamte Sowjetische Besatzungszone, einschließlich Berlins, vier Tage später, am 15.Juni. Am 17. Juni kamen die SPD-Initiativen Berlins zusammen und wählten einen Groß-Berliner Bezirksvorstand. Der Zentralausschuss, der sich als Repräsentanz deutschlandweiten Partei verstand, sollte örtliche Parteigründungen außerhalb Berlins vorantreiben.

Die CDU, die sich gänzlich neu bilden musste, erhielt ihre Zulassung am 26. Juni, die LDPD am 5.Juli.

In der britischen Besatzungszone erging die Aufforderung zur Gründung von Parteien zwei Monate später, am 6. August, in der amerikanischen Zone drei Monate später im September 1945, in der französischen Zone erst im Frühjahr 1946.

Wenn auch die Zulassungen der vier Parteien durch die SMAD zügig erfolgten, so konnte von einer Gleichbehandlung keine Rede sein. Parteiarbeit bestand damals wie heute in der Produktion von bedrucktem Papier: Flugblätter, Zeitungen, Plakate. Bei der Papier-Zuteilung wurde die KPD bevorzugt. Um Parteigründungen außerhalb Berlins zu unterstützen, benötigte man Autos: Der KPD standen bereits im Juni 1945 40 Autos und zwei Flugzeuge zur Verfügung, der SPD fünf alte PKWs. Aber auch diese waren ohne Reisegenehmigungen und ohne ausreichende Benzinzuteilungen außerhalb Berlins nicht zu nutzen. Solche Genehmigungen wurden den Mitgliedern des Zentralausschusses jedoch erstmals Ende August erteilt. Örtliche Parteigründungen konnten nach den Vorstellungen einiger sowjetischer Stadtkommandanten in der SBZ aber nur in Anwesenheit eines Mitglieds des zugelassenen Parteivorstandes aus Berlin ordnungsgemäß stattfinden. Also fanden sie im Juli und August für SPD, CDU und LDPD nicht statt.

So zeigte sich Otto Grotewohl, der noch im Mai den Plan der einen sozialistischen Partei favorisiert hatte, ein halbes Jahr später angesichts der stalinistischen Praxis der unter dem besonderen Schutz der SMAD agierenden KPD ernüchtert. Die KPD hatte eine gemeinsame Feier von SPD und KPD zur Erinnerung an die Novemberrevolution 1918 für den 9. November vorgeschlagen. Die SPD hatte abgelehnt und ihrerseits zum 11. November eingeladen, unter anderen auch Wilhelm Pieck als den mittlerweile aus Moskau zurückgekehrten Sprecher der KPD. Wolfgang Leonhard, der Pieck begleitete, beschreibt die die Reaktion auf Grotewohls Rede in seinen Erinnerungen „Die Revolution entlässt ihre Kinder“ folgendermaßen:

„Schon nach wenigen Worten spürte ich, dass die Rede gar nicht auf „Linie“ war... (Am Ende) bezeichnete Grotewohl es als die Aufgabe der SPD, innenpolitisch eine mittlere Position zwischen den bürgerlichen und der Kommunistischen Partei zu beziehen und außenpolitisch eine Mittlerrolle zwischen der Sowjetunion und den westlichen bürgerlichen Demokratien zu spielen. Die Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit mit der KPD oder die Entwicklung zu einer Einheit beider Parteien wurde in Grotewohls Rede nicht erwähnt.“

Doch es traf die Moskauer Strategen noch heftiger. Bei den Novemberwahlen in Österreich und in Ungarn hatten die dortigen kommunistischen Parteien krasse Niederlagen erlitten und endeten jeweils hinter einer bürgerlichen bzw. Bauernpartei und den Sozialdemokraten auf dem 3. Platz.

Ab Ende November 1945 war deshalb der bis dahin noch vehement abgelehnte Zusammenschluss mit der Sozialdemokraten das vorrangige Ziel der KPD. Auch wenn angesichts der ablehnenden Haltung der mittlerweile in den Westzonen gegründeten SPD mit Kurt Schumacher an der Spitze, sie nur in der SBZ, aber einschließlich Berlins, möglich sein würde.

So drängte die KPD den auf die SBZ und Berlin beschränkten Zentralausschuss der SPD ohne Rückkoppelung zu den Mitgliedern für den 20./21. Dezember zur Einberufung eines Ausschuss, der mit je 30 Personen von den beiden Leitungsgremien beschickt wurde, und der als „60er – Ausschuss“ gewisse Berühmtheit erlangen sollte. Grotewohl vertrat auf dieser Tagung die zuvor mit Kurt Schumacher vereinbarte Position, dass ein Einigungsbeschluss nur durch einen SPD-Parteitag aller Besatzungszonen („Reichsparteitag“- heute: Bundesparteitag) getroffen werden könne. In dem Protokoll der Tagung des „60er-Ausschusses“ fand diese grundlegende Bedingung keine Erwähnung. Es enthielt hingegen einen anderen, exakt konträren Beschluss: Es sollte sofort eine Gruppe zur Erarbeitung eines Statuts für die geplante Einheitspartei eingesetzt werden.

Schon eine Woche später, am 29. Dezember lehnte der Berliner Bezirksvorstand auf einer Sitzung gemeinsam mit den Berliner Kreisvorsitzenden die Forderung nach einer Einheitspartei einhellig ab und forderte erstmals zu diesem Thema eine „Urabstimmung“ aller Partei-Mitglieder.

Dagegen begann nun eine massive „Meinungsförderung“ mit Hilfe der SMAD.

Zwei ortsangepasste Varianten solcher Meinungsförderung seien beispielhaft genannt:

Gustav Dahrendorf, wohnhaft im Süntelsteig 28, in der Berliner zentralen Verwaltung zuständig für die Energieversorgung und Mitglied des Zentralausschusses war ein Skeptiker hinsichtlich der Verschmelzung. Sein Sohn, Ralf Dahrendorf, damals 17 Jahre alt, beschreibt in seinen Erinnerungen: „Über Grenzen“, einen solchen Versuch:

„Weihnachen 1945. Vor unserem Haus fuhr ein sowjetischer Jeep vor, und zwei Leute brachten uns allerlei Pakete mit Wurst und Schinken, Krimsekt und Kaviar, Zigaretten und anderem, was das Herz begehrte. Ein Geschenk der Militäradministration in Karlshorst. In der Familie brach eine gefühlsgeladene Diskussion los. Wir nagten nicht am Hungertuch, aber Wohltaten waren höchst willkommen. Indessen argumentierten meine Mutter und ich, dass wir nichts davon essen und trinken dürften, sondern alles zurückschicken müssten. Wir liessen uns nicht durch die Stalinisten bestechen. Mein Vater sah die Sache gelassen. Geniessen wir die guten Dinge woher sie auch kommen, denn das ändert meine Meinung um keinen Deut; und wenn wir hier weg müssen, kann es nicht schaden, vorher noch einmal gut gegessen zu haben.“

Zwei Monate später, Mitte Februar, konnten er und Ralf nur durch rasches Eingreifen der Amerikaner und Briten vor dem Zugriff der SMAD gerettet und von Gatow nach Hannover ausgeflogen werden.

Das zweite Beispiel:

In der Sowjetischen Besatzungszone ging die SMAD in der Regel direkter vor. Heiner Müller, nicht verwandt oder verschwägert mit dem Bühnenautor, schilderte in seiner Autobiografie: Krieg ohne Schlacht. Leben in zwei Diktaturen, wie eine Meinungsförderung in Waren/Müritz, Mecklenburg, vor sich ging:

„Mein Vater (SPD-Kreisvorsitzender) wurde zum NKWD bestellt. Da saß ein sowjetische Major, der sagte: „Genosse Müller, Du gegen Vereinigung?“ - „Nein, ich bin nicht gegen Vereinigung, aber...“. Der Major: „Du gegen Vereinigung. Morgen Versammlung. Du sprechen für Vereinigung.“ Mein Vater: „Ich nicht spreche für Vereinigung“.

Dann kam ein Leutnant mit einer Akte und der Major zog ein Papier mit einer Aussage vom Chauffeur und von der Sekretärin meines Vaters hervor. Die hatten ausgesagt, dass er und sein Stellvertreter eine faschistische Widerstandsgruppe gebildet und in einem Keller der Altstadt Waffen gelagert hätten. Der Major sagte: „Du sprechen für Vereinigung, ich vergessen Papier“.

So geschah es dann.

Nur der besondere Status von und die Anwesenheit der westlichen Alliierten in West-Berlin bot dort – und nur dort - die Chance, dem Diktat der SMAD zu widerstehen.

2. Die SPD Groß-Berlin hört nicht auf zu bestehen

Mitte Februar legten KPD und der Zentralausschuss der SPD den Termin für den Zusammenschluss der Parteien, soweit sie in der SBZ und Berlin beheimatet waren, auf den 20./21. April fest.

Daraufhin trafen sich 14. Februar auf Einladung Curt Smolinzkys, Kreisvorsitzender Tempelhof, in Tempelhof erstmals die opponierenden Berliner Kreisverbände und beschlossen eine „Urwahl“ genannte Urabstimmung unter den Berliner Parteimitgliedern über die folgenden Fragen:

  1. Bist du für den sofortigen Zusammenschluss beider Arbeiterparteien?
  2. Bist du für ein Bündnis beider Parteien, welches gemeinsame Arbeit sichert und Bruderkampf ausschließt?

Auf einer Funktionärskonferenz am 1. März im Admiralspalast wurde die Urabstimmung von den 2000 Anwesenden trotz Grotewohls rund eineinhalbstündiger Gegenrede beschlossen.

Der „Zentralausschuss“ reagierte umgehend. Die Spalten der Parteizeitung „Das Volk“ wurde für Beiträge der Verschmelzungsgegner gesperrt.

Die West-Alliierten genehmigten die Durchführung der Urabstimmung für den 31. März. Die SMAD erlaubte sie auch, stellte jedoch administrative Vorbedingungen, die von den Ostberliner Kreisverbänden nicht, vor allem nicht rechtzeitig erfüllt werden konnten, so dass sie „aus verwaltungstechnischen Gründen“ dort nicht stattfinden durfte.

Der Zentralausschuss rief die Mitglieder in den Westbezirken zum Boykott der Urabstimmung auf.

Die Urabstimmung wurde in Berlin eine großer Erfolg der Gegner des „sofortigen Zusammenschlusses“: 71, 2 % der Westberliner Parteimitglieder waren trotz des Aufrufs zum Wahlboykott dem Wahlaufruf gefolgt. Von denen hatten sich 80,4 % gegen den sofortigen Zusammenschluss ausgesprochen.

Die SED – und einige Geschichtenschreiber bis heute – versuchte sich im Zahlenspiel. So heisst es z.B. in der „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“, die 1968 im Ostberliner Dietz Verlag erschien: „Fast zwei Drittel der Berliner Organisation der SPD folgten dem (Boykott-)Aufruf des Zentralausschusses und blieben diesem statutenwidrigen Schwindelmanöver fern...Von den 66 245 Mitgliedern der Berliner SPD lehnten 19 529 die sofortige Vereinigung ab.“ Wenn man die rd. 33.000 in Ostberlin wohnenden SPD-Mitglieder zu „Boykottbefürwortern“ macht, kamen die 2/3 ungefähr zustande.

Der Berliner Bezirksvorstand entschied am 3. April, binnen vier Tagen und noch vor dem anvisierten Vereinigungsparteitag am 20./21. April einen Parteitag der Berliner SPD für den 7. April einzuberufen.

Ein passender Saal wurde im zerstörten Berlin in der Aula der Zinnowwald - Schule gefunden. Da die Schule damals z.T. noch als Krankenhaus genutzt wurde, fanden die Gegner für die Berliner SPD anschließend den Spottnamen „Zehlendorfer Krankenhaus-Partei“.

Doch war die „Krankenhaus-Partei“ die richtige SPD? Die Zulassung hatte seinerzeit der Zentralausschuss und somit die Grotewohl-SPD erhalten. Konnte sich die West- Bezirke so einfach zu „eigentlichen“ Partei erklären?

Auch war zweifelhaft, ob nicht die aus dem Zusammenschluss hervorgegangenen SEPD als eine neue Partei einer neuen Lizenz für Berlin bedürfte. Der amerikanische Stadtkommandant, General Barker, hatte am 29. März erklären lassen, „dass keine Verschmelzung anerkannt werden kann, die nicht freiwillig von den Mitgliedern, sondern nur von einer Gruppe von Parteifunktionären verlangt wird.“

Um keine Zweifel an den rechtlichen Voraussetzungen ihrer politischen Arbeit entstehen zu lassen, richtete der neu neugewählte Vorstand der „Krankenhaus-SPD“, bestehend aus Franz Neumann, Reinickendorf, Curt Swolinzky, Tempelhof, und Karl Germer, Wilmersdorf am 8.April einen formellen Lizensierungsantrag an die Alliierte Kommandatura.

Am 31. Mai entschieden die Allierten wie folgt:

  1. Die Alliierte Kommandatura gestattet der SPD in Berlin, zur Zeit unter der in ihrem Brief vom 8. April 1946 angegebenen Leitung, die Ausübung ihrer Tätigkeit innerhalb der Stadtgrenzen von Groß-Berlin. (Damit gab es eine offiziell zugelassene Groß-Berliner SPD.)
  2. Die Alliierte Kommandatura erteilt eine ähnliche Genehmigung an die SEPD.(Das war der Kompromiss.)
  3. Den Sozialdemokraten, die sich entweder der SEPD oder der SPD anschließen wollen, sind keine Hindernisse in den Weg zu legen.
  4. Die Alliierte Kommandatura wird drauf sehen, dass in jedem Verwaltungsbezirke Berlins beiden Parteien Büroräumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden.“

Die SPD konnte somit in allen Bezirken Berlins wirken und in direkte Konfrontation mit der SEPD treten, was denn auch sehr bald geschah. Ende 1946 hatte die SPD im Osten immer noch 14.000 eingetragene Mitglieder, das entsprach etwa 40 % der Mitgliederzahl von vor der Vereinigung. Auch blieb die Infrastruktur erhalten. Sie konnte weiterhin über die 8 Ostberliner Kreisbüros verfügen.

Bei den ersten – und einzigen - freien Wahlen in Ganz-Berlin am 20. Oktober 1946, feierte sie einen überwältigen Erfolg. Bei einer Wahlbeteiligung von über 92 % entfielen in Groß-Berlin auf die SPD 48,7 %. Die SED lag nach der CDU (22,2%) an dritter Stelle mit 19,8 %. Die LDPD erhielt 9,3 %. Selbst in Ostberlin hatte die SPD mit 43,6 % deutlich mehr Unterstützung als die SED mit lediglich 29,9 %.

Die SPD Groß-Berlin blieb eine Partei mit einem Landesvorstand und einer Landesdelegiertenversammlung, zu der auch Delegierte der 8 Ost-Kreisverbände gehörten. Ab 1950 wurde sechs Ostberliner Sozialdemokraten auf sicheren Westberliner Listenplätzen in das Westberliner Abgeordnetenhaus gewählt. Auch im Bundestag sicherte die Berliner SPD die Repräsentanz Ostberliner Genossinnen und Genossen. Ab 1952 gehörten Kurt Neugebauer, Kreisvorsitzender in Friedrichshain, und ab 1953 Gretel Berger-Heise, Kreisvorsitzende in Weißensee, zu den Berliner Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Eine derartige Repräsentanz des Ostens hat es bei keiner der anderen Parteien je gegeben. Die SPD war und blieb die Partei für Ganz-Berlin.

Um ein erneutes Wahldesaster wie im Oktober 1946 zu vermeiden, wurde im Osten bei Wahlen nur noch SED-dominierte Einheitslisten zugelassen. Eine solche Beteiligung unter gnädiger Duldung der SED lehnte die SPD ab.

Anders machte es die Ost-CDU. Auf ihrem 6. Parteitag 1952, erklärte sie, die Einheitsfront „vorbehaltlos“ zu unterstützen. Während aus den Verwaltungen, den Gewerkschaften und den gesellschaftlichen Organisationen im Osten alle Sozialdemokraten hinausgedrängt wurden und der „Sozialdemokratismus“ als der Hauptgegner der SED bis in die 70er Jahre verfolgt wurde, konnten seit 1953 Eintritte in die Ost-Parteien durchaus sichere, wenn auch meist nur kleinere Karrieren und Posten im Osten garantieren.

Neuaufnahmen in die SPD waren in den Ost-Kreisverbänden nicht ausgeschlossen, doch schwierig. Denn die SED hatte erhebliches Interesse daran, die Berliner SPD auf jeder Ebene zu unterwandern. Kandidaten musste deshalb bis zu 3 Paten oder Leumundszeugen bringen, um eine Aufnahme zu erreichen. Dennoch zählten die 8 Kreise am 30.6.1961, also sechs Wochen vor dem Mauerbau 5.327 Mitglieder.

Als die DDR-Regierung am 22. August 1961 allen Westberlinern das Betreten Ostberlins verbot, war eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr aufrecht zu erhalten. Der SPD-Landesvorstand beschloss deshalb am 23. August die Ostberliner Mitglieder aus ihren Pflichten der Partei gegenüber zu entlassen. Gleichzeitig bekräftigte er, dass die SPD an ihrem Recht festhielte, die sozialdemokratische Partei im Ostsektor wieder herzustellen, und er verpflichtete sich, „jederzeit treu zu diesen ehemaligen Mitgliedern zu stehen.“