Peter von Feldmann – Zweimal Mitglied

Veröffentlicht am 18.07.2023 in Abteilung

Christoph Ehmann
Gedanken anlässlich seiner Beisetzung am 18. Juli 2023

Das zu Beginn zu berichtende Ereignis geschah, bevor ich Peter von Feldmann kennenlernte. Aber es verdeutlicht, warum ich ihn schätzte und achtete.

Peter von Feldmanns Mitgliedschaft in der SPD jährt sich in diesem Jahr zum 40. Mal. Eine vierzigjährige Mitgliedschaft ist in einer insgesamt alternden SPD kein besonderes Ereignis. Was an diesem Ereignis allerdings bemerkenswert ist, ist das Datum seines Eintritts. 1982/83 war die SPD nach den Jahren der sozialliberalen Koalition an einem - heute wird man sagen müssen: einem ersten - Tiefpunkt. Zehn, zwölf Jahre zuvor waren zu Willy Brandts Zeiten unter dem Aufruf „Mehr Demokratie wagen“ viele vor allem junge Leute in die Partei eingetreten. Zeitweise führte dies zu einer Mitgliederzahl von über 1 Million.

Peter gehörte damals zu den wegen ihrer Zugehörigkeit zum SDS aus der Partei ausgeschlossenen. Er beließ es lange Jahre dabei.

Doch 1982/83 hatte sich die Zeit und das politische Blatt gewendet. Es schien politisch, sozial und gesellschaftlich rückwärts gehen zu sollen. Wie schon in Berlin, wo seit 1981 die CDU mit Richard von Weizsäcker im Roten Rathaus regierte, gab es auch im Bund einen Umschwung. Helmut Kohl war im Oktober 1982 Kanzler geworden.

In dieser Situation der „Verliererpartei“ beizutreten, war ein mutiges Bekenntnis zugunsten der sozialen Demokratie, gegen die vom neuen Kanzler verkündete „moralische Wende“ und gegen eine, mit der Ausbildung von gesellschaftlichen und politischen Eliten, wie sie Kohl und Genscher forderten und wozu ihnen der spätere Berliner Wissenschaftssenator Kewenig eine Empfehlung des Wissenschaftsrates lieferte, Vertiefung der gesellschaftlichen Spaltung.

Peter von Feldmann brauchte im Alter von 46 Jahren für eine berufliche Karriere nicht mehr die Partei. Sein offenes Bekenntnis zur SPD konnte ihm angesichts der politischen Mehrheiten eher schaden. Aber er sah sehr wohl, dass die SPD gerade jetzt deutlich sichtbare Bekenntnisse benötigte. Es war der Zeitpunkt gekommen, um die jahrelange stillschweigende Zustimmung in ein offizielle aufzuwerten, gerade weil sie gegen den Trend gerichtet war. Der „moralischen Wende“ und dem Abbau sozialer Errungenschaften z.B. die Umstellung der Studentenförderung auf Volldarlehen musste der Wille entgegengesetzt werden, den sozialen und politischen Fortschritt, den der Jurist von Feldmann in den Zeiten von Gustav Heinemann und Horst Ehmke auch in der praktischen Arbeit erfahren hatte, nicht zu einem Rückschritt umgestalten zu lassen.

Peter von Feldmann hat von Beginn an keinen Zweifel daran gelassen, dass er nicht von der Partei und ihren Amtsträgern für sich Hilfe und Förderung erhoffte, sondern dass er bereit und willens war, sein Wissen und seine Kraft für die SPD einzusetzen. Deshalb ging er auch das Wagnis ein, seine Richtertätigkeit für einige Jahre zu unterbrechen und sich in Potsdam als Stadtrat zur Verfügung zu stellen. Nicht zuletzt die dortigen Erfahrungen bestärkten ihn öffentlich zu opponieren, als auf der Truman-Plaza Investoren sich mit bemerkenswerter Geschmacklosigkeit austoben durften.

Seine Erfahrungen in Potsdam führten auch dazu, dass wir politische Gemeinsamkeiten über die allgemeine Programmatik hinaus feststellten, als wir Ende der 90er Jahre dafür warben, die PDS als Koalitionspartner der SPD zu akzeptieren, eine in der vom Antikommunismus geprägten West-Berliner SPD erst einige Jahre später akzeptierte Position. Es war für uns unverkennbar, dass die Grundwerte der SPD – Freiheit, Gleichheit, Solidarität – in dieser Partei, nachdem sie sich von den Alt-Kommunsten getrennt hatte - oder diese sich von ihr -. eher anzutreffen waren als in jenen Gruppierungen, in denen das aufgestiegene Kleinbürgertum seine Positionen absicherte.

Peter schrieb nach der verheerenden Wahlniederlage 2009, als die SPD erstmals seit 1949 weniger als ein Viertel der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen konnte, in einem Positionspapier: „Die SPD muss zurück zu ihren Werten finden und vor allem das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit im Rahmen einer sozialen und ökologischen Marktwirtschaft wieder deutlich zur Grundlage ihrer Politik in Deutschland und in der Europäischen Union machen.“ Was dann als Aufgaben beschrieben wurden, waren jene Positionen, mit denen die SPD sich in den zurückliegenden Jahrzehnten um eine menschenwürdigere Gesellschaft in Deutschland und Europa verdient gemacht hatte. Er überzeugte uns, dass es wichtig und richtig war, dieser Linie zu folgen bzw. sie wieder aufzunehmen und nicht modischen und meist kurzzeitigen Trends nachzulaufen. Er vergaß auch nicht, dort Fehler zu benennen und Korrekturen zu fordern, wo in den vergangenen Jahrzehnten, in wechselnden Koalitionen, aber mit sozialdemokratischer Zustimmung rechtsstaatliche Freiheitsgarantien und Grundrechte eingeschränkt und mögliche und richtige Bündnispartner wie „Die Linke“ durch altbackene Animositäten ausgeschlossen wurden. Doch seine Warnungen wie die vor dem Berliner Gesetzentwurf zum Mietendeckel oder den antidemokratischen Machenschaften in Polen blieben häufig ungehört, so dass er 2021 seinen politischen Rückzug ankündigte.

Doch kurz vor seinem Tod wurde er rückfällig.

Als 2023 im Berliner Koalitionsvertrag der CDU mit der SPD zum einen die Ausweitung der schon 1967 anlässlich des Schahbesuchs berüchtigt gewordenen Vorbeugehaft stand, nun „Präventivhaft“ oder noch verlegener „Unterbindungsgewahrsam“ genannt und als gegen religiöse und politische Terroristen gerichtet ausgegeben, tatsächlich aber wie weiland 1967 gegen jene genutzt, die verdächtig waren, das verfassungsgarantierte Recht auf friedliche Demonstration z.B. gegen den Klimawandel auch wirklich wahrzunehmen, und zum zweiten eine Möglichkeit zu schaffen, einen notenbewehrten Religionsunterricht als Wahlpflichtfach an öffentlichen Schulen einzuführen, ließ er es an deutlicher Kritik nicht fehlen. Denn insbesondere die Trennung von Kirche und Staat gehört nun wirklich zu den unbezweifelbaren Grundwerten der Sozialdemokratie und zwar seit 160 Jahren.

Peter von Feldmann muss die drohende Umsetzung dieser Koalitionsabsichten nicht mehr miterleben.
Hoffentlich bleibt sie auch uns erspart.