Gustav Radbruch (* 21. November 1878 in Lübeck; † 23. November 1949 in Heidelberg)

Veröffentlicht am 31.10.2023 in Geschichte

Gustav Radbruch studierte Jura in München, Leipzig und Berlin.

Er war bereits 1910 zum außerordentlichen Professor an der Universität Heidelberg berufen worden. Von 1914 bis 1918 war er Soldat. Er trat, nachdem er sich für die Kieler Matrosen im Kampf gegen die Fortsetzung des 1. Weltkrieges eingesetzt hatte, 1918 in die SPD ein. Er blieb im Norden, konnte aber als nunmehriges bekennendes SPD-Mitglied nur gegen den erheblichen Widerstand der Kollegen in der juristischen Fakultät 1919 zum Professor an der Universität Kiel berufen werden.

Radbruch war von 1920 bis 1924 Mitglied des Reichstags. Von Oktober 1921 bis zum November 1923 war er Reichsjustizminister in drei Kabinetten (Wirth II, Stresemann I und II).

Während seiner Amtszeiten wurden einige bedeutende Gesetze ausgearbeitet, so zur Zulassung von Frauen zum Richteramt. Wegweisend waren außerdem der Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs aus dem Jahre 1922 und das Jugendgerichtsgesetz von 1923. Radbruch wollte die Vergeltungsstrafe abschaffen und durch eine Besserungsstrafe ersetzen. Er war gegen die Todesstrafe und das Zuchthaus und damit für die Besserungsstrafe. Die Resozialisierung wurde neben der Sicherung der Bevölkerung zum Hauptziel der Strafe erklärt Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit hat sich nach 1945 die sogenannte Radbruchsche Formel durchgesetzt. Vereinfacht: Was Unrecht ist, kann auch durch ein Gesetz nicht zu Recht werden. Dies betraf vor allem die Rassegesetze der NS-Zeit, wie auch alle Gesetze, die gegen die Idee der Gleichheit als wesentliche Idee der Gerechtigkeit verstießen (z.B. Apartheid, Rassentrennung).

Gegen die in den Nachkriegsprozessen von NS-Täter gern gebrauchte Entschuldigung, „Gesetz ist Gesetz“ und „Befehl ist Befehl“ schrieb er 1946 den Beitrag Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht. Er gilt als einflussreichster rechtsphilosophischer Aufsatz des 20. Jahrhunderts.

Die gegenteilige Auffassung wurde vor allem durch den Ausspruch des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger aus dem Jahre 1974 berühmt-berüchtigt, mit dem er sein Eintreten für Todesurteile gegen junge Deserteure Anfang 1945 verteidigte: „Was damals Rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein!“

Am 14. Juli 1948 trat Radbruch entgegen anfänglichem Zögern wieder der SPD bei. Tags zuvor war er emeritiert worden und hatte seine Abschiedsvorlesung gehalten.

„Vielleicht ist die beste Antwort auf Ihre Frage, daß ich mich wieder der SPD eingegliedert habe, der ich seit 1945 ferngeblieben war, einerseits weil ich zu Unrecht damals eine Politik im SED-Stil fürchtete und von der CDU das Bekenntnis zu einem christlichen Sozialismus erwartete – zwei Voraussetzungen, die sich als völlig irrig erwiesen haben –, andererseits weil ich parteilos stärker auf die Studentenschaft wirken zu können glaubte. In meiner Abschiedsvorlesung, über die ich Ihnen einen Bericht beilege, habe ich erklärt, daß in dieser Zeit der Entscheidungen mit jenem Nihilismus, der gleichzeitig alle Besatzungsmächte und alle Parteien ablehne, Schluß gemacht werden müsse, daß man zeigen müsse, wo man steht, und daß ich nunmehr deshalb in die SPD zurücktrete.“